„In deinem Innern ist eine Quelle, die nie versiegt, wenn du nur zu graben verstehst.“
Marc Aurel
Selbsterfahrung im Kloster
In meiner psychotherapeutischen Praxis (HeilprG) spreche ich oft von der Insel der Ruhe und der Chance, die Ruhe in sich birgt, wenn du bereit bist, danach zu suchen und dich darauf einzulassen.
Ruhe als Chance
Schon länger trage ich den Wunsch in mir, eine Erfahrung der Stille im Kloster zu machen. Diesen Wunsch habe ich vor ungefähr 2 Jahren niedergeschrieben, dass er für mich nicht verloren geht. Da mein geplanter Nepal Yoga- und Achtsamkeitstrek leider aufgrund der Corona-Pandemie ausfallen muss, hat mich suchen lassen. Und so bin ich auf das Meditations-Retreat im Schweigen im Kloster Buddhas Weg im Odenwald gestoßen. Der Erläuterungstext spricht mich sehr an, und ich freue mich, mich auf den Weg zu begeben, um eine neue Erfahrung für mich zu erleben.
Freitagmorgen steige ich in mein Auto und fahre die knapp 140 Kilometer bis zum buddhistischen Kloster im Odenwald mitten in Deutschland. Auf dem Parkplatz angekommen, schalte ich erst mal mein Handy aus. Wie oft habe ich dieses sonst am Tag in der Hand und schaue darauf oder kommuniziere damit? Die nächsten 53 Stunden soll es ohne gehen. Ich bin gespannt. Ich begebe mich also ins „Offline“. Es soll an diesem Wochenende keine Ablenkungen geben – so habe ich auch kein Buch eingepackt. Mein Gepäck besteht aus etwas Kleidung, Hygieneartikeln, Yogamatte, Meditationskissen, Decke und Schreibzeug. Gute Voraussetzung, um einfach zu sein – Being simple.
Being Simple – Simply be and see
Kein gesprochenes Wort wird die nächsten Stunden meine Lippen verlassen. Ich sitze mit 18 Menschen aus unterschiedlichen Teilen Deutschlands im Mediationsraum. Nach einer Begrüßungsrunde, die sich auf das Wesentliche beschränkt: Wer bist du? Warum bist du hier? Warum gerade in Buddhas Weg?, läd uns die Kursleiterin Kusunalandi ins „Edle Schweigen“ ein. Das bedeutet, dass neben dem Verzicht auf die Sprache, auch weitestgehend auf Mimik, Gestik verzichtet werden soll, um mit der Außenwelt in Kontakt zu treten.
Rückzug von der Außenwelt, um bei mir anzukommen. In mir selbst. Einfachheit und Edles Schweigen, um aus der Geschäftigkeit und der vorhandenen Hektik des Alltags zurückzutreten und in den eigenen inneren Raum einzutreten. Erleben, was ist, im Hier und Jetzt.
Zu Beginn sollen wir unsere Wünsche, Gedanken, Ängste etc. das Meditations-Retreat betreffend auf eine leere DIN A4-Seite schreiben. Ja, ich bin gespannt auf die Selbsterfahrung des Schweigens, das Handy auszulassen, kein Buch in die Hand zu nehmen. Wie werde ich mich dabei fühlen? Wie halte ich mich selbst aus? Das sind Fragen, die mich beschäftigen. Ich habe mir nichts vorgenommen, bin frei von Erwartungen, möchte einfach sehen und erleben – was ist, in mir im Hier und Jetzt. Grenzen fühlen, Zeit für mich, Insel der Ruhe und Ruhe als Chance.
Achtsamkeitsübungen
Durchs Retreat begleiten uns „Die 5 Achtsamkeits-Übungen“ von Thich Nhat Hanh.
- Achtung des Lebens
- Großzügigkeit
- Sexuelle Verantwortung
- Aufmerksames Zuhören und liebevolles Sprechen
- Achtsamer Umgang mit Konsumgütern
Kusunalandi wirkt auf mich sehr vertrauensvoll, empathisch und authentisch. Ich merke, dass sie weiß wovon sie spricht. War sie doch bis März diesen Jahres für 12 Jahre als buddhistische Nonne der Therevada-Tradition ordiniert. Sie lebte viele Jahre in Myanmar und in den USA und hat viel Zeit in Mediationszentren, Klöstern und Retreats verbracht. Ihre Erfahrungen und die Anekdoten aus ihrer Zeit als Nonne machen das Retreat für mich lebendig, authentisch und faszinieren mich.
Der Tagesablauf des Retreats ist klar strukturiert. Es verbleibt viel Zeit für Selbsterfahrung und auch individuelle Zeit mit mir selbst.
15 Einheiten Meditation in verschiedenen Varianten lassen mich in 3 Tagen 10 Stunden in Meditation im Stehen, Sitzen, Gehen oder in Bewegung, bei der Herz-Chakra-Meditation von Karunesh, erleben. Dazwischen genieße ich den weitflächigen Garten mit altem Baumbestand, vielen Bänken, Stühlen, die zum Verweilen einladen und lauschigen Ecken, die es zu entdecken gibt. Es flattern Gebetsfahnen im Wind, so dass ich für mich ein Gefühl von „little Nepal“ habe. Unter den vom Wind bewegten Gebetsfahnen zu liegen und diese zu beobachten, hier und jetzt, dabei die Sonne auf der Haut zu spüren, ist erfüllend und tut gut. Im Garten befinden sich auch einige Buddha-Statuen, die den Blick immer mal wieder halten lassen. Das Wetter ist in diesen drei Tagen bestens. Sonnenschein und spätsommerliche Temperaturen.
Mantras singen
Gesprochen wird nicht, aber gesungen – Mantras. Wir singen abends die Mantras
- OM Mani Padme hum
- Metta – Karuna – Mudita – Upekkha
(Liebevolle Güte – Mitgefühl – Mitfreude – Gleichmut)
- Om Maitri – Maha Maitre – Maitri Ye Svaha
(Kehre zurück zu der liebenden Güte in dir. Praktiziere die große liebende Güte. Metta-Praktizierende: vollende deine Arbeit.)
Das Mantra-Singen ist eine Erfahrung vom Klang der Stimmen im Raum, die sich vereinen und 108 mal wiederholend das ausgewählte Mantra singen. Dabei komme ich immer tiefer in mir selbst an. Die Mala (Gebetskette) mit ihren 108 Perlen hilft dran zu bleiben und achtsam zu wiederholen. Die Gedanken ziehen weiter, die Mala ist wie ein Anker, der verbunden mit dem Gesang, kaum Gedanken zulässt. Im Anschluss stilles Sitzen und nachwirken lassen. Ich erinnere mich an Nepal im Purna Yoga-Retreat, wo ich die Stunden des Mantra-Gesangs als befreiend für mich erlebt habe.
Es ist wundervoll mit fremden Menschen im großen Raum zu sitzen, nichts von ihnen zu wissen und doch ein Gefühl von „Gemeinschaft“ zu spüren.
Simply be
Ich erlebe die Stille als erfüllend, ich nehme mich selbst tiefer wahr und fühle eine tiefe Zufriedenheit und Dankbarkeit in mir. Es klingt simple – „einfach sein“ – Die Kraft dahinter zu spüren, in das Sein einzutauchen, in die Tiefe der Stille zu sinken. Doch es ist nicht einfach in der Umsetzung. Erfordert es loslassen von Gedanken, sie vorbeiziehen zu lassen, wie Wolken am Himmel. Ich fühle mich mit mir und meinem Weg als Therapeutin, Achtsamkeitscoach und Yogalehrerin in diesen Momenten sehr tief verbunden.
„Wellness für den Geist“ – er darf still werden und wird nicht von äußeren Einflüssen „gefüttert“.
Die Zeiten von Außeneinflüssen sind bei den Mahlzeiten am höchsten. Es ist letztlich leicht, ohne Worte, hinter der Maske verborgen kundzutun, was ich vom leckeren, vegetarischen Menü auf meinen Teller oder in meine Schüssel bekommen möchte. Hier hilft das Zeigen bestens. Das Essen in Stille hat mir gezeigt, dass ich im Alltag viel zu schnell den Teller leer esse. Hier habe ich mir bewusst Zeit für das Essen genommen und an meinen Kenntnisse zum „Achtsamen Essen“ gedacht und diese gelebt.
Das Retreat endet am Sonntag mit einer Reflektion, die ich auf eine leere A4-Seite schreibe und nach einer Feedbackrunde. Es fühlt sich ungewohnt an, nach 53 Stunden des Schweigens, den Mund zu öffnen und das Erleben in Worte zu fassen.
Reflektion: Being Simple – Simply be and see
Ich reflektiere: Stille als Chance. Stille als Wellness für den Geist. Rückkehr vom Außen ins Innen, Geduld, Zuversicht. Berührende Momente – Musik, unter den Gebetsflaggen liegen, auf der Bank in der Morgensonne sitzen und Buddha sehen, inmitten der Natur unter einem großen, starken Baum, dessen Krone Schatten und Geborgenheit spendet. Energie des Mantra-Singens. Variationen der Mediation. Alles geht über das Erleben. Erleben schafft Erfahrung. Ich bin angekommen und habe das Hier und Jetzt gefühlt. Being Simple – Einfachheit – Essen, Trinken, meditieren, bewegen, hören, schlafen. Simply be and see – einfach sein und zulassen, was geschieht. Danke Kusalanandi.
Ich wünsche dir viel Neugier und Entdeckergeist bei deinen eigenen Erfahrungen auf dem Wege der Achtsamkeit.
Nur durch die eigene Erfahrung kannst du lernen und dich weiterentwickeln.
Mit achtsamen Grüßen
Meike