Wir sind für nichts so dankbar wie für Dankbarkeit.
Marie von Ebner-Eschenbach
Dankbarkeit
Kennst du auch diese Tage, an denen dein Leben nur aus Mängeln zu bestehen scheint? Wo du meinst, dass nichts funktioniert? Doch, ist das tatsächlich so? Ist es nicht so, dass du oft die Geschenke des Lebens als selbstverständlich hinnimmst und nicht wertschätzt?
Dankbarkeitspraxis etablieren
Besonders für diese Zeit, aber letztlich als Begleiter im Alltag, etabliere eine individuelle „Dankbarkeitspraxis“ in deinem Leben. Diese kann zur lieben Gewohnheit werden und dich in schwierigen Zeiten unterstützen, diese gut zu durchleben. Dankbarkeitsrituale kannst du jederzeit in deinem Leben schaffen.
Mein tägliches Dankbarkeitsritual praktiziere ich am Morgen. In einer bestimmten Reihenfolge bin ich jeden Morgen dankbar, wieder aufzuwachen, für den Tag, die Nacht, den Himmel, die Luft, das Feuer, die Erde, das Wasser, den Wald, die Natur die Bäume. Ich danke den Menschen, die für mein Leben wichtig sind (Partner, Kinder, Eltern, Freunde), ich danke mir selbst für die Werte, die ich habe (authentisch – frei – sicher), danke den Herausforderungen meines Lebens, die mich zu der gemacht haben, die ich heute bin. Dabei bin ich dankbar für die Menschen, die mich auf diesem Weg begleitet, gefordert und gefördert haben. Ich danke für Essen, Trinken, Kleidung, eine warme Wohnung, Gesundheit. Mein Morgenritual endet mit der „Liebe-Güte-Meditation“ – eine der ältesten buddhistischen Meditationen:
Möge ich/mein Partner/meine Familie/Freunde/alle friedliebenden Lebewesen sicher und geborgen sein.
Möge ich/mein Partner/meine Familie/Freunde/alle friedliebenden Lebewesen glücklich und zufrieden sein.
Möge ich/mein Partner/meine Familie/Freunde/alle friedliebenden Lebewesen gesund und frei von Schmerzen sein.
Möge ich/mein Partner/meine Familie/Freunde/alle friedliebenden Lebewesen mit Leichtigkeit mein/ihr Leben leben.
Dankbarkeit gegen Unzufriedenheit und Schmerz
der körperliche oder psychische Schmerz und Unzufriedenheit können so überwältigend sein, dass dir manchmal der Blick dafür versperrt wird, was es doch Positives in deinem Leben gibt. Im Grunde weißt du, dass du für vieles in deinem Leben dankbar sein kannst – deine Familie, Kinder, Freunde, Gesundheit, Job, Zuhause … Fokussiere deinen Blick auf die Dinge, die dein Leben reich machen. Die da sind und die du genießen kannst und darfst. Auch wenn es am Anfang vielleicht nur ein paar Kleinigkeiten sind, die dir einfallen. Erstelle dir eine Dankbarkeitsliste, auf der du regelmäßig Ergänzungen vornimmst, wenn dir etwas Neues einfällt, wofür du dankbar bist. Das kann der morgendliche Sonnenschein sein, der den Tag gut für dich beginnen lässt, deine Tasse Kaffee oder Tee, ein Lächeln, leckeres Essen, dein Lieblingslied im Radio, das Lesen eines guten Buches …
Mache dir mehr und mehr bewusst, wofür du in deinem Leben dankbar bist. Je länger deine Liste werden wird, desto mehr wirst du erkennen, wieviel Positives dein Leben beinhaltet, auch in Zeiten der Unzufriedenheit oder des Schmerzes.
Fragen der Dankbarkeit
Beantworte nachfolgende Fragen, gerne schriftlich, um dich in der Praxis der Dankbarkeit zu üben. Du musst nicht alle Fragen auf einmal beantworten. Nehme dir jeden Tag 1 oder 2 Fragen vor. Vielleicht findest du eigene Fragen, mit denen du die Liste ergänzen möchtest.
- Wofür bin ich gegenwärtig in meinem Leben dankbar?
- Für welche meiner Stärken, Begabungen und Fähigkeiten bin ich dankbar?
- Für welche Lebensumstände bin ich dankbar?
- Für welche Höhepunkte, „Wunder“ + Geschenke des Lebens bin ich dankbar?
- Für welche Erfahrungen, Lehren und Lektionen des Lebens bin ich dankbar?
- Für welche Kraftquellen bin ich in meinem Leben dankbar?
- Für welche kleinen und gewöhnlichen Dinge des Lebens bin ich dankbar?
- Für welche Menschen bin ich dankbar?
- Welche Menschen haben mich gefördert?
- An welchen Menschen konnte ich wachsen?
- Wem kann ich heute noch „Dankeschön!“ sagen?
- Bei welchen Menschen werde ich mich in den nächsten Tagen bedanken?
Theorie der Dankbarkeit – Die Fenster der Seele
Durch die Stürme des Alltags verschmutzen die Fenster unserer Seele. Sie müssen immer wieder geputzt werden, sonst dringt auf Dauer immer weniger Licht in unsere Innenräume. Keine guten Aussichten für die Seele. Eines der wirkungsvollsten und einfachsten Mittel hierzu ist Dankbarkeit. Das Wohlbefinden deiner Seele ist gar nicht so sehr von realen Begebenheiten abhängig, sondern mehr von unserer subjektiven Wahrnehmung der Dinge. Durch aktives Danken kannst du deine Wahrnehmung erheblich verbessern und damit deine Erlebensqualität.
Die seelenheilsame Wirkung des Dankens ist nicht erst seit dem 21. Jahrhundert bekannt, sondern seit Jahrtausenden, wie philosophische Schriften der Antike, die Bibel oder asiatische Weisheitstexte aufzeigen. Neu ist dagegen, dass man durch psychologische und molekularbiologische Forschungen weiß, wie sich die Praxis des Dankens positiv auf unsere Seelenverfassung und unseren Organismus auswirkt. Auch weiß man, welche Automatismen in uns Dankbarkeit und Zufriedenheit erschweren. Dazu zählen Unzufriedenheit.
Automatismus der Unzufriedenheit – Erschwernis für Dankbarkeit
Dankbarkeit scheint heute etwas aus der Mode gekommen zu sein, da wir die Dinge des Lebens immer mehr als selbstverständlich hinnehmen und erst ihr Verlust, uns zum Nachdenken bringt. Auch kleine Kinder nehmen zunächst alles als gegeben und selbstverständlich an und fühlen sich nicht zu Dank verpflichtet. Sie haben die wunderbare Fähigkeit, sich unmittelbar an Kleinigkeiten zu erfreuen, im Augenblick zu leben und selbstvergessen z. B. im Spiel zu sein. Das Kind freut sich an dem was da ist, egal wer dafür gesorgt hat, woran es sich freut. Mit zunehmendem Alter lernen wir den Kindern „Danke!“ zu sagen für Dinge, die es bekommt. Dies wird erwartet, auch wenn es nicht immer vom Herzen kommt. Ein Dank nur aus Verpflichtung heraus ist nicht echt. Als Erwachsene äußern wir Dankbarkeit oft eher als Höflichkeitsritual als Kundgebung eines tatsächlich vorhandenen Dankbarkeitsgefühls.
Dankbarkeit als Ressource
Erst im Laufe unseres Lebens lernen wir Dankbarkeit als eine Ressource zu entwickeln. Dabei macht es uns der Automatismus der Unzufriedenheit nicht leicht. Er ist zwar in vielen Situationen für das Überleben unverzichtbar, erschwert allerdings das Gefühl der Dankbarkeit.
Automatismus der Unzufriedenheit – 5 Schritte:
- Fehlerscreening
Einer Versuchsgruppe wurde ein Blatt mit 10 einfachen Rechenaufgaben vorgelegt. Eine der Aufgaben war als sofort erkennbar unrichtig. Die Frage an die Teilnehmer lautete: „Fällt Ihnen an diesem Blatt etwas auf?“. Alle antworteten spontan, ausnahmslos: „Da ist eine Rechnung falsch!“ Keiner sagte: „Da sind 9 Rechnungen richtig.“
Das Ergebnis zeigt eine Haltung, mit der viele von uns durchs Leben gehen. Wenn du z. B. morgens aufwachst und der erste Gedanke richtet sich auf ein nicht gelöstes Problem vom Vortag, dann erlebst du diese Haltung. Denn du vergisst in diesem Moment völlig, dass du gesund bist, dass es dir gut geht, dass du eine wundervolle Familie oder Partner/in hast, genug zu essen, eine warme Wohnung usw. Diese Haltung aktiv bewusst zu machen hilft, sich nicht fast nur auf die Dinge zu konzentrieren, die nicht stimmen.
Dabei handelt es sich keineswegs um eine Fehlfunktion unseres Gehirns. Dieses automatische Fehlerscreening sichert unser Überleben. Auf Gefahrensignale reagieren wir schneller und stärker als auf erfreuliche Dinge. Das gibt uns die Möglichkeit, uns bei jedem Gefahrensignal sofort in Sicherheit zu bringen. Damit wird unser Überleben gesichert und dies bereits seit der Zeit der Neandertaler, die sonst vom Säbelzahntiger gefressen worden wären. Nur leider hat dieser Mechanismus keinen positiven Einfluss auf unser Gefühl der Zufriedenheit und Dankbarkeit. Kleine Unstimmigkeiten können sozusagen unsere Aufmerksamkeit wie ein Magnet anziehen und gleichzeitig stimmige Faktoren in unserem Leben vergessen lassen.
- Der verhängnisvolle Gewöhnungseffekt
Menschen haben Wünsche, dies jahrelang, und vielleicht ist dein Traum, einen Porsche zu besitzen und zu fahren. Erfüllt sich dein Traum irgendwann und du kannst dir deinen großen Wunsch erfüllen, bist du stolz und überglücklich, und du hast in der ersten Zeit das Gefühl, dein Leben hat an Qualität erheblich gewonnen. Unmerklich, langsam gewöhnst du dich an diesen Zustand – wie du dich auch schon an andere Dinge, Haus, Motorrad, Schuhe, teure Restaurantbesuche …, gewöhnt hast. Nach einem bestimmten Zeitraum ist von dem, besonderen Glücksgefühl der Anfangsphase nur noch wenig übrig. Erschreckend auf der einen Seite, auf der anderen ist es ganz normal. Es ist ein natürlicher Mechanismus, wiederholt vorkommende Reize mit der Zeit auszublenden und die Aufmerksamkeit auf neue Ziele zu richten. Bei negativen Reizen durchaus hilfreich, bei den positiven Dingen des Lebens verhängnisvoll. Die Gefahr dabei ist, alle Reichtümer des Lebens irgendwann als selbstverständlich anzusehen, abzustumpfen und schlicht übersättigt zu werden. Damit können diese, laut Abraham Maslow zur wesentlichen Ursache „menschlichen Übels, menschlicher Tragödie und menschlichen Leidens werden“.
- Wunschscreening
Zu dem Gewöhnungseffekt kommt oft noch ein anderer Automatismus unserer Psyche dazu. Statt zufrieden zu sein, mit dem was ist, sucht der innere Autopilot unser Leben nach Neuem ab, was einen unserer vielen, vielen unerfüllten Wünsche befriedigen könnte. Die Realität wird mit dem Wahrnehmungsfilter unserer Wünsche gescreent. Somit erleben wir als Erwachsene oft den Gegensatz von Wirklichkeit und unserem idealen Wunschbild. Wie bei einem Kind, dass unter dem Weihnachtsbaum viele Geschenke vorfindet, das eigentlich Gewünschte ist nicht dabei. Die anderen Geschenke machen die Enttäuschung nicht wett. Das Kind ignoriert diese und ist beleidigt. Je mehr wir unseren Wünschen hinterherlaufen, umso weniger können wir all die reichen Gaben genießen, die schon vorhanden sind. Sozialpsychologische Studien ergaben, dass die Jagd nach Anerkennung durch Geld und Status sich nicht auszahlt. Vermögen und Einfluss heben langfristig die Stimmung nicht, weil sofort die nächsten Ziele vor Augen stehen.
- Achtung Vergleichsfalle!
Das Dilemma kann sich verstärken, wenn wir in die „Vergleichsfalle geraten, denn diese nährt den Wurm der Unzufriedenheit“, wie der Arzt Jörg-Peter Schröder schreibt. Problematisch wird hier, dass wir uns nicht mit Menschen vergleichen, denen es schlechter geht, denn dies könnte unsere Zufriedenheit und Dankbarkeit sogar steigern. Leider neigen Menschen dazu sich immer mit denen zu vergleichen, die nach ihrer Ansicht mehr haben, denen es besser geht. Wenn wir uns so messen und an Idealbildern festhalten, die uns die Medien täglich versuchen einzusuggerieren, ist es schwer mitzuhalten. Nur zu leicht lässt dies Gefühle von Frustration uns Neid entstehen. Ursprünglich mag das für unseren Überlebenskampf hilfreich gewesen sein, denn hier hat sich der, der besser war und mehr hatte, durchgesetzt. Missgunst wird so gefördert. Für Zufriedenheit und Dankbarkeit ist es alles andere als förderlich.
- Selbstverstärkung – Teufelskreis
Leider kann es noch schlimmer kommen, denn haben wir erst einmal die Welt durch die dunkle Brille wahrgenommen, filtert unser Gehirn quasi nur noch die Reize heraus, die zu unserer Stimmungslage passen, also die negativen Aspekte. Wir sehen dadurch umso mehr Fehler, das was uns fehlt und das, was andere haben. Diese Wahrnehmung ist selbst verstärkend und seelisch ein destruktiver Prozess – völlig natürlich und menschlich. Was nun, wirst du jetzt fragen? Die gute Nachricht – der Teufelskreis kann durchbrochen werden und diesen Mechanismen etwas entgegengesetzt werden. Damit ist die Wirkung nicht zu verhindern, aber es können psychologische Hebel angesetzt werden. Das sind zum einen das bewusste Wahrnehmen, wenn diese Mechanismen aktiv sind. Damit ist die Möglichkeit geschaffen, lediglich zu beobachten und nicht zu urteilen. Damit schaffst du innerlich eine Distanz, bekommst mehr Handlungsspielraum und kannst den Unzufriedenheits-Automatismen etwas entgegensetzen. Zum anderen die Dinge bewusst machen, die in deinem Leben in Ordnung sind, für die du dankbar sein kannst. Danken ist wie ein psychologischer Fahrstuhl aus dem Keller. Vorbeugend kann Dankbarkeit verhindern, dass dein Fahrstuhl in den Keller fährt. Umschalten von „Was läuft falsch?“ auf „Was läuft richtig?“ Damit lässt sich die Balance zwischen Anspruchs- und Wunschdenken einerseits zu Zufriedenheit und Dankbarkeit andererseits wiederherstellen.
Damit wirkt Dankbarkeit als eine der wichtigsten Ressourcen für dein seelische Gleichgewicht.
Sinn und Wirkung des Dankens
Danken wirkt unmittelbar auf die Seele. Zu dieser Erkenntnis gelangte die psychologische Wissenschaft. In verschiedenen Versuchen und Studien wurden die seelisch stärkende und stabilisierende Funktion der Dankbarkeit bestätigt.
Danken erweitert unsere Sicht der Wirklichkeit. Wenn ich mir die positiven Aspekte und Dinge meines Lebens bewusst mache, ersetze ich die eingeschränkte Wahrnehmung der Defizite in meinem Leben mit der Erweiterung, auch das zu sehen, was in Ordnung ist. Auf diese Weise verhindert Danken auch, dass ich nur noch um mich und meine Probleme kreise.
Wenn ich an etwas denke, wofür ich dankbar sein kann – positiver Gedanke, entsteht automatisch vor meinem inneren Auge ein Bild davon. Dieses positive Bild bewirkt automatisch ein positives Gefühl in dir, verbunden mit einer Endorphinausschüttung im Gehirn deren Größe davon abhängt, wie stark die Freude ist, die dabei aufkommt – gutes Gefühl
Wirkung des Mechanismus der Selbstverstärkung. Je mehr Dinge mir bewusst werden für die ich dankbar sein kann, desto heller wird meine Brille des Lebens und die Menge der positiven Sachen wird mehr. Robert A. Emmons: „Je dankbarer wir sind, desto mehr Anlass zur Dankbarkeit haben wir.“
Positive Wirkungen von Dankbarkeit (Robert A. Emmons). Dankbare Menschen sind/haben/können:
- weniger anfällig für Depressionen
- besserer Umgang mit Stresssituationen
- negative Ereignisse und Schicksalsschlägre können besser verarbeiten
- beim regelmäßigen Notieren (2 Monate), wofür sie dankbar sind, wurden mehr Lebensziele realisiert
- sozialeres Verhalten
- Engagement im sozialen Bereich
- Status, Besitz und materielle Güter weniger wichtig
- seltener anfällig für Neidgefühle
- größeres psychisches Wohlbefinden
- subjektiv empfundene Lebensqualität ist höher
(Quelle: „Wo die Seele auftankt“ Marco von Mühlhausen)
Dein Weg ist dein Ziel. Gehe diesen in deinem Tempo. Ich wünsche dir gute Erfahrungen beim Praktizieren von DANKBARKEIT. Nur durch Üben können wir wahrnehmen, erfahren, erkennen, verändern, bewusster, dankbarer werden.
Mit achtsamen Grüßen
Meike